Der Verwaltungsrat hat gem. Art. 715a OR das Recht auf Auskunft und Einsicht bezüglich der Gesellschaftsangelegenheiten. Bisher war in der Praxis ungeklärt, ob dieser Anspruch auch gerichtlich erzwungen werden kann. In einem Leitentscheid hat sich das Bundesgericht nun dazu geäussert und Klarheit geschafft.
Wie wir in unseren Beiträgen über die Delegation der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat erwähnt haben, ist grundsätzlich der Verwaltungsrat zuständig für die Geschäftsführung und haftet auch für diese. Mit der Delegation dieser Aufgabe kann der Verwaltungsrat seine Haftung im Umfang der delegierten Aufgaben beschränken. Er haftet dann nur noch für sorgfältige Auswahl, Instruktion und Überwachung. Damit er diese Aufgaben aber wahrnehmen kann, benötigt er umfangreiche Informationsrechte, welche ihm durch Art. 715a OR gewährt werden. Dem Verwaltungsrat sowie den einzelnen Mitgliedern steht dadurch das Recht auf Auskunft und Einsicht bezüglich der Angelegenheiten der Gesellschaft zu. In den Sitzungen sind alle Mitglieder des Verwaltungsrates sowie die mit der Geschäftsführung betrauten Personen zur Auskunft verpflichtet. Ausserhalb der Sitzungen kann jedes Mitglied von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen Auskunft über den Geschäftsgang und, mit Ermächtigung des Präsidenten, auch über einzelne Geschäfte verlangen. Ausserdem kann jedes Mitglied dem Präsidenten beantragen, dass ihm Bücher und Akten vorgelegt werden, soweit es für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich ist.Im Bundesgerichtsleidentscheid BGE 144 III 100 entschied das Gericht über einen Fall in dieser Sache. Ein Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft aus dem Kanton Obwalden verlangte Einsicht in die Bücher und Akten der Gesellschaft, namentlich handelte es sich um das Aktienbuch, das Register der wirtschaftlich berechtigten Personen, Unterlagen bezüglich Vereinbarungen mit Dritten und Zahlungen an einen Dritten sowie Protokolle der Generalversammlungen und Verwaltungsratssitzungen. Die Einsicht wurde dem Verwaltungsrat aber nicht gewährt, weshalb dieser die Einsicht gestützt auf Art. 715a OR gerichtlich einfordern wollte. Das Gesuch wurde jedoch vom Kantonsgericht und Obergericht Obwalden mit der Begründung, dass Art. 715a OR keine Rechtsgrundlage für eine Klage enthalte, abgewiesen. Daraufhin zog man den Fall weiter vor das Bundesgericht, welches die Rechtsfrage anders beurteilte.Bei der Auslegung des Bundesgerichts, ob gestützt auf Art. 715a OR eine Klage auf das Einsichtsrecht möglich sein soll, zeigen sich folgende Punkte als besonders erwähnenswert:
- Der Zweck von Art. 715a OR sei es, sicherzustellen, dass ein Verwaltungsrat seine Führungs- und Aufsichtsaufgaben wirksam und effizient wahrnehmen könne. Dieses Informationsrecht stelle das Gegenstück zur persönlichen Verantwortung eines Verwaltungsratsmitglieds dar.
- Die Möglichkeit auf Klage werde zwar nicht explizit in Art. 715a OR genannt, aber sie werde auch nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich sei ein gesetzlich gewährter Anspruch nämlich gerichtlich durchsetzbar. Nur wenn die entsprechende Norm diese Möglichkeit ausschliesse, sei dies nicht möglich.
- Zwar seien in der konstanten Praxis des Bundesgerichts Verwaltungsratsbeschlüsse nicht anfechtbar. Die Verneinung der Anfechtungsklage schliesse aber nicht aus, dass der Informationsanspruch des Verwaltungsratsmitglieds mittels Klage gegen die Gesellschaft durchgesetzt werden könne.
Das Bundesgericht urteilte somit, dass die Vorinstanzen die Klage zu Unrecht nicht zugelassen hätten. Dieser Entscheid ist zu begrüssen, denn um seine Aufgabe unabhängig und im besten Interesse der Gesellschaft wahrzunehmen, muss der Verwaltungsrat über alle zur Wahrnehmung seiner Oberleitungs- und Aufsichtsfunktionen nötigen Informationsrechte verfügen. Auch wenn die dafür notwendigen Informationen grundsätzlich in den Sitzungen beschafft werden sollten, muss bei dringlichen und wesentlichen Fragen die Möglichkeit bestehen, Einsicht in gewisse Geschäfte oder Akten zu nehmen. Beim Zugang zu Informationen bestehen inhaltlich zwar Grenzen bezüglich der Art und Detaillierungsgrad. Wenn diese Schranken jedoch eingehalten werden, ist es zu begrüssen, dass der Informationsanspruch gerichtlich durchgesetzt werden kann.Findea hilft Ihnen dabei, Ihre Steuern einfach und unproblematisch zu halten.