Die willkürliche Bewertung von stillen Reserven ist eine Eigenheit in der Schweiz. Mit dem Grundkonzept des true and fair view, welches in Anwendung der internationalen Rechnungslegungstandards wie IFRS oder US GAAP gilt, ist die willkürliche Bewertung von Aktiven und Passiven nicht vereinbar.
Vorteil dieser schweizerischen Besonderheit ist, dass durch die Bildung von stillen Reserven der externe Gewinnausweis verkleinert wird, sodass den Aktionären weniger Dividende ausgeschüttet wird. Der zurückbehaltene Gewinn steht dann der Unternehmung zu Finanzierungszwecken zur Verfügung. Handelt es sich um steuerrechtlich anerkannte stille Reserven, führt die Verminderung des Gewinnausweises zudem zu einer geringeren Steuerbelastung.Stille Reserven stellen verstecktes Eigenkapital dar und sind ein “Fettpolster” für wirtschaftlich schlechte Zeiten. Durch die Auflösung von stillen Reserven kann das Unternehmen den ausgewiesenen Verlust verkleinern oder sogar beseitigen. Nach aussen strahlt das Unternehmen dann eine bessere wirtschaftliche Lage aus. In Wahrheit verändern Bildung und Auflösung von stillen Reserven weder Gewinn noch Verlust. Die finanzielle Lage der Gesellschaft bleibt unverändert. Nur die buchhalterische Darstellung ändert sich. Reserven eignen sich ferner auch nicht dazu, ein Unternehmen “in Zeiten schlechten Geschäftsganges” durchzuhalten, obwohl sich der Gesetzgeber das in OR 671 III so vorstellt. Stille (und auch offene) Reserven sind nur eine rechnerische Grösse und nicht tatsächlich vorhandene Gelder oder Vermögenswerte.